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04-06-2021  |  

Einlass: 5. Juni 2021, 16:10

Zeit: 5. Juni 2021, 16:30 – 17:45

Sprache des Screenings: Deutsch mit chinesischen Untertiteln

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In Reaktion auf die erfreulich große Nachfrage des Publikums, bietet das Goethe-Institut China, in Absprache mit dem Berliner Theatertreffen und dem jeweiligen Theaterhaus, für die Inszenierungen „Einfach das Ende der Welt“, „Der Zauberberg“ und „Medea*“ jeweils ein zusätzliches Screening zu dem bisherigen Programm in den kommenden Tagen an.

Am 23. Mai und 5. Juni 2021 präsentiert das Goethe-Institut China die Videoaufzeichnung des Livestreams einer Inszenierung, die zum diesjährigen Theatertreffen eingeladen wird: „Medea*“ nach Euripides von Leonie Böhm (Produktion: Schauspielhaus Zürich, Premiere 19. September 2020).

„Ich gehe bis zum Äussersten“, sagt Medea – und sucht dahinter eine Welt, in der auch sie gemeint ist. Wie Gerechtigkeit herstellen, wenn alles aus dem Lot ist? Leonie Böhm nimmt gemeinsam mit der Schauspielerin Maja Beckmann und dem Musiker Johannes Rieder den Mythos und führt ihn über die Tragödie hinaus. „Medea*“ erzählt von Widerstand und Radikalität. Aber auch von dem Wunsch sich zu erholen, zu verwandeln – und über sich hinauszuwachsen.

STATEMENT DER JURY

Medea steht einsam an einem toten Punkt. Das streicht Leonie Böhm in ihrer Inszenierung – im Grunde ist es ein Monolog – von Anfang an heraus. Die sozialen Bande sind gerissen, es gibt keinen festen Boden unter den Füßen (nur flottierende Tücher), das destruktive und selbstdestruktive Handeln hat seine alternativlose Eigendynamik schon in Gang gesetzt. Böhm zeigt eine Frau im freien Fall. Sie legt ihr Augenmerk nicht auf den unmenschlichen Akt der Kindstötung, sondern auf die Entwicklung, die diesem passage à lʼacte vorausgeht. Die Selbstermächtigung, die ihm inneliegt. Die neuen Entfaltungsmöglichkeiten, die er vielleicht schafft. Die Zürcher Medea ist eine Medea, die Christa Wolf gelesen hat und der Sigmund Freud, Jacques Lacan, Walter Benjamin zumindest nicht fremd sind. Auch wenn sie neben improvisierten Texten vor allem Euripides spricht. Eine Medea von heute, die das ganze kranke System an die Wand fährt. Wie Maja Beckmann das schauspielerisch entwickelt, wie Leonie Böhm es bildhaft anlegt, wie Johannes Rieder es musikalisch spiegelt, ist atemberaubend und klug.

PRESSESTIMMEN

Im Schauspielhaus ist Medea kein Monster, keine „rasende Frau“ wie es bei Euripides heisst. Sie ist eine Frau, die Angst hat, die nicht weiss, wie es weitergeht. Eine Frau, die plötzlich ohne alles dasteht. (SRF Regionaljournal Zürich Schaffhausen)

Beckmann gibt das so generös und grandios - sekundiert vom lässig tragikomischen Rieder -, dass die sehr textfreie Arbeit nicht nur den einen Stern verdient, den sie im Titel „Medea“ trägt. Sondern fünf. (Tagesanzeiger)

Leonie Böhm hat ein „Medea“-Making-of geschrieben. Ihre aktuelle, teilweise leichtgewichtige Lesart ist ein psychologisches Empowerment-Programm für weibliche Selbstachtung. (NZZ)

ÜBER DEN REGISSEUR

Leonie Böhm wuchs in Heilbronn auf, war dort auf der Waldorfschule und ist heute Mutter von zwei Kindern, die sie immer wieder dazu anhalten, sich selbst zu befragen, weiterzuentwickeln und in ihrem Leben noch eine ganze andere Realität einfordern. Sie ist mit drei Studienabschlüssen vielseitig aufgestellt und arbeitet heute als Regisseurin, Performerin und bildende Künstlerin sowohl in der freien Szene als auch am Stadttheater. Zunächst studierte sie Kunst und Germanistik auf Gymnasiallehramt und machte auf der documenta 7 eine Ausbildung zur Kunstvermittlerin bei Carmen Mörsch und Ulrich Schötker. Die grundlegende Frage: Was ist eine autorisierte Sprecher*in in einer Vermittlungssituation und welche Machtverhältnisse gibt es da, sowie die Suche nach mündigen Sprecher*innen und gelungener Kommunikation begleiten ihre Arbeitsweise bis heute. In ihrem Kunststudium, das sie 2011 an der Kunsthochschule Kassel als Meisterschülerin bei Urs Lüthi abschloss, versuchte sie diesen Fragen eine größere Bandbreite an Ausdrucksformen zu geben. Ins Theater gelangte Leonie Böhm schließlich, um künstlerische Prozesse in der Kollaboration mit Menschen zu gestalten. Mit Nathan die Weise wurde gleich eine ihrer ersten Arbeiten zum renommierten Münchner Nachwuchsfestival Radikal Jung eingeladen. Heute arbeitet sie u.a. an den Münchner Kammerspielen, am Thalia Theater Hamburg, am Theater Bremen und am Theater Oberhausen. Nach wie vor interessiert sie an kanonischen Texten, wie man sich zu ihnen ins Verhältnis setzt und die eigenen Bedürfnisse und Ideen hineinschreibt. Ihre Inszenierungen vermitteln eine Haltung die gleichermaßen verletzlich und fordernd ist, und die an den ebenso mündigen wie verspielten Menschen glaubt.