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19-10-2021  |  

Saša Stanišić trifft Zheng Zhi

Zeit: 24.10.2021, 16:00 – 17:30

Gäste: Saša Stanišić, Zheng Zhi, Han Ruixiang

Moderation: Bai Lin

Sprache: Chinesisch mit chinesischer Gebärdensprache

Ort: Goethe-Institut China

Adresse: Originality Square, 798 Art District, Jiuxianqiao Road 2, Chaoyang District, Beijing

Das Gespräch wird auch via Live-Streaming übertragen.

WeChat (ID: Goethe_Institut)

Mit Hilfe der Literatur Brücken zwischen zersplitterten Dingen zu bauen, den Zustand der Existenz vor und nach turbulenten Jahren darzustellen.

- Saša Stanišić

Wenn Dinge verschwinden, lassen sie Relikte der Geschichte zurück. Diese „Ruinen der Seele“ werden von den Menschen geborgen und wieder aufgebaut und in eine Ewigkeit verwandelt, die keinen Unterschied zwischen hoch und niedrig kennt.

- Zheng Zhi

Mit Unterstützung der Übersetzungsförderung des Goethe-Instituts China und im Rahmen des Projekts „Social Translating“ wurde der Roman „Herkunft“ von Saša Stanišić im 2021 in chinesischer Fassung im Horizon und Shanghai Renmin Verlag veröffentlicht.

HERKUNFT ist ein Buch über den ersten Zufall unserer Biografie: irgendwo geboren werden. Und was danach kommt.

HERKUNFT ist ein Buch über ein Dorf, in dem nur noch dreizehn Menschen leben, ein Land, das es heute nicht mehr gibt, eine zersplitterte Familie, die meine ist. Es ist ein Buch über die Frage, was zu mir gehört, ein Selbstporträt mit Ahnen. Und ein Scheitern des Selbstporträts.

HERKUNFT ist ein Buch über meine Heimaten, in der Erinnerung und der Erfindung. Ein Buch über Sprache, Schwarzarbeit, die Stafette der Jugend und viele Sommer. Den Sommer, als mein Großvater meiner Großmutter beim Tanzen derart auf den Fuß trat, dass ich beinahe nie geboren worden wäre. Den Sommer, als ich fast ertrank. Den Sommer, in dem die Bundesregierung die Grenzen nicht schloss und der dem Sommer ähnlich war, als ich über viele Grenzen nach Deutschland floh.

HERKUNFT ist ein Abschied von meiner dementen Großmutter. Während ich Erinnerungen sammle, verliert sie ihre. HERKUNFT ist traurig, weil Herkunft für mich zu tun hat mit dem, das nicht mehr zu haben ist.

In HERKUNFT sprechen die Toten und die Schlangen, und meine Großtante Zagorka macht sich in die Sowjetunion auf, um Kosmonautin zu werden.

Diese sind auch HERKUNFT: ein Flößer, ein Bremser, eine Marxismus-Professorin, die Marx vergessen hat. Ein bosnischer Polizist, der gern bestochen werden möchte. Ein Wehrmachtssoldat, der Milch mag. Eine Grundschule für drei Schüler. Ein Nationalismus. Ein Yugo. Ein Tito. Ein Eichendorff. Ein Saša Stanišić.

In einem Talk auf der Livestreaming-Plattform Yixi sagte Zheng Zhi: „Unser ganzes Leben besteht aus zwei Arten von Orten: aus den Orten, an denen wir uns aufhalten und wo wir leben, und aus den Orten, die wir nie erreichen können.“ Durch alle von Sašas Romanen – von „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ über „Vor dem Fest“ bis hin zu „Herkunft“ – zieht sich eine entscheidende Frage: Was ist Heimat?

Bei dieser Gelegenheit lädt das Goethe-Institut Schriftsteller Zheng Zhi und Saša Stanišić ein, durch Fernverbindung einen Dialog über das Thema „Herkunft“ und „Heimat“ zu führen. Wir laden auch Han Ruixiang, den Übersetzer des Buches „Herkunft“ ein, um über seine Erfahrung bei der Übersetzung des Buches zu sprechen. Die Veranstaltung wird von der Schriftstellerin Bai Lin moderiert.

Die Gäste

Saša Stanišić wurde 1978 in Višegrad (Jugoslawien) geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Seine Erzählungen und Romane wurden in über 30 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Saša Stanišić erhielt u.a. den Preis der Leipziger Buchmesse für „Vor dem Fest“ und zuletzt für „Herkunft“ den Deutschen Buchpreis 2019 sowie den Eichendorff-Literaturpreis und den Hans-Fallada-Preis der Stadt Neumünster. Er lebt und arbeitet in Hamburg.

Zheng Zhi wurde 1987 in Shenyang geborene. Schriftsteller und Drehbuchautor, er veröffentlichte seinen Debütroman „Float“ im Alter von 19 Jahren und hat seit 2007 mehrere Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht. Im Dezember 2018 gewann er den ersten Preis des ersten „Anonymous Writers Project“-Wettbewerbs für seine Kurzgeschichte „Krankheit des Unsterblichen“; 2019 gewann er den ersten „Zhong Shan Star Literary Award“ und „Liaoning Literature Award“.

Bai Lin ist eine unabhängiger Kulturjournalistin, Schriftstellerin und ehemals leitende Journalistin bei „The Beijing News“. Sie hat ausführliche Interviews mit mehr als 120 Schriftstellern und Wissenschaftlern im In- und Ausland geführt und ist die Autorin von „Double Time: Dialog mit der westlichen Literatur“ (04.2021, Moveable Type Inc.). Ihr Hauptinteresse gilt Mittel- und Osteuropa und der südslawischen Kultur. Eine Reihe von Ihren Artikeln wurde in Literaturzeitschriften „Reading“ „We Read“ „FLOWER CITY“ usw. veröffentlicht. Ein Reisebericht über die Region des ehemaligen Jugoslawien wird demnächst erscheinen.

Ruixiang Han promovierte an der Universität Salzburg über Thomas Bernhard, ist als Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Beijing Foreign Studies University tätig und übersetzt regelmäßig Werke deutschsprachiger Autoren und Autorinnen ins Chinesische. Die Übersetzung von „Shanghai, Fern von Wo?“ gewann den Sechsten Lu Xun-Literaturpreis - Preis für literarische Übersetzungen (2014). Weitere Übersetzungen sind unter anderem Saša Stanišićs „Vor dem Fest“ und „Herkunft“.