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22-04-2021  |  

Kuratorin: Ruan Kun
Künster*innen und Kunstkollektiven: Timothy C. May, Liu Jiaying, Larva Labs, Pixls, Zhou Peng’an, Song Ting, aaajiao, !Mediengruppe Bitnik

Eröffnung der Ausstellung
Eröffnung und Kunstauktion: 24.04.2021, 15 Uhr
Auktionator: Li Haotian
Künstlergespräch: 24.04.2021, 16 Uhr
Teilnehmende Künstler*innen: Liu Jiaying, , Zhou Peng’an, Song Ting, aaajiao (online)
Moderatorin: Ruan Qun
Sprache: Chinesisch

Dauer der Ausstellung: 24.04. – 14.06.2021, 12:00 – 18:00, Montag geschlossen
Ort: Goethe-Institut China
Adresse: Originality Square, 798 Art District, Jiuxianqiao Road No. 2, Chaoyang District, Beijing
Eintritt frei

Flyer zum Herunterladen

Auf Einladung des Goethe-Instituts China kuratiert Ruan Kun die Ausstellung „Undurchsichtiges Spiel“ (An Intransparent Game) für den Grey Cube des Goethe-Instituts in „798“. Die Ausstellung, die sich des Formats eines Action Game und des Spiels mit Überwachung und Verschlüsselung im Raum bedient, geht der Frage nach, ob Verschlüsselung als Mechanismus zum Schutz der Privatsphäre genutzt werden kann, um den negativen Auswirkungen von Überwachung entgegenzuwirken. Gleichzeitig versucht die Ausstellung auch, Möglichkeiten zu erforschen, die Ausweitung der Überwachungsgesellschaft durch Verschlüsselung einzudämmen, und erkundet eine dezentrale Alternative, um die Beziehung zwischen Big Data und dem Physischen, dem Sehenden und dem Gesehenen, dem Körper und dem Virtuellen neu zu überdenken. Die Ausstellung wird am 24. April mit einer Auktion zur Kryptokunst sowie einem anschließenden Künstlergespräch eröffnet und dauert bis zum 14. Juni 2021.

Mit der Corona-Pandemie als Katalysator hat die rasante Entwicklung neuer Technologien, zum Beispiel durch Informationstechnologie und künstliche Intelligenz, die Grenzen von Zeit und Raum, Physiologie und Psychologie sowie virtuellem und realem Raum durchbrochen und radikale Veränderungen im täglichen Leben der Menschen bewirkt. Mit der Entwicklung des Internet haben auch Überwachungsnetzwerke eine beispiellose Ausdehnung erreicht und sich von der ursprünglichen Informationssammlung und -speicherung allmählich zum strukturierten Sharen von Big Data gewandelt. Dadurch ist das Überwachungssubjekt nun in der Lage, die Menschen dank einer Flut scheinbar zusammenhangloser Informationen auf granularer Ebene und in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu managen und zu kontrollieren. Der Widerspruch zwischen mobiler Kommunikationstechnologie, Anwendungssoftware und Privacy macht deutlich, dass der Raum der individuellen Privatsphäre kontinuierlich reduziert und immer kontrollierbarer wird. Da das Verhalten von Überwachungssubjekten unvorhersehbar ist, wird es dringend notwendig, Verschlüsselungstechnologien zum Schutz der Informationssicherheit und der Privatsphäre zu entwickeln und zu verbessern, um die Risiken zu reduzieren und den Ängste und Befürchtungen der Öffentlichkeit entgegenzuwirken.

1992 nahm Timothy C. May an einem Treffen von Cypherpunks teil und verlas „The Crypto Anarchist Manifesto“, das den Beginn der Cypherpunk-Bewegung markierte. In den folgenden Jahren der Entwicklung des Internet wurde die Kryptografie allmählich zur grundlegendsten und direktesten Methode, Informationen zu schützen. Die virtuelle 3D-Blockchain-Welt CryptoVoxels schafft ein paralleles Krypto-Universum im virtuellen digitalen Raum, wobei sie sich auf reale Konstruktionsmechanismen bezieht. In dieser Welt können Grundstückseigentümer Galerien, Geschäfte oder jede andere Art von Gebäuden ohne Einschränkungen erstellen. Eines davon ist Liu Jiayings „Pures Gold“: In dieser Welt, die frei ist von den Zwängen der Transparenz, durchbricht sie die Limitierungen des physischen Raums und erforscht eine einzigartige Art der virtuellen Darstellung und Kommunikation.
Die Entwicklung der Speicherung von Big-Data hat die Charakteristik der flüchtigen Natur des menschlichen Gedächtnisses gebrochen, und riesige Datenmengen werden fortlaufend im Backend des Servers kodiert und komprimiert und bilden einen digitalen Speicher. Im Jahr 2018 eröffnete Zhou Peng’an das „Computermuseum im Web“, in dessen Experimentalbereich er Inhalte von historischem Wert sammelt, die nicht direkt mit einer bestimmten Hardwareplattform in Verbindung stehen. In der Ausstellung können Besucher*innen via Terminals 414.750 Transaktionsdatensätze von 73.673 Konten vom Backup der TomPDA-Website abrufen. Song Ting hingegen verwendet ein Generative Adversarial Network (GAN), um eine große Menge an Bilddaten zu strukturieren und zu trainieren, sodass die Netzwerkdatenbank die ursprüngliche menschliche Wahrnehmung von „Schönheit“ mit Rückgriff auf das „Gedächtnis“ reproduzieren und die Homologie zwischen Mensch und Maschine aus der Perspektive des Big-Data-Gedächtnisses untersuchen kann.

Mithilfe verschiedener intelligenter Geräte haben kommerzielle Plattformen die Erfassung der Daten aus dem privaten Raums der Benutzer*innen abgeschlossen und bilden nun einen fast geschlossenen Kreislauf der Überwachung von User- Verhalten und -Aktivitäten, wodurch der Raum der Privatsphäre des Einzelnen allmählich immer enger wird. Smarte Assistent*innen, das Gehirn des Smart-Home-Systems, steuern smarte Geräte und definieren dabei die Algorithmen und Regeln für deren Betrieb. !Mediengruppe Bitnik erforscht zusammen mit dem französischen Musiker Low Jack, wie Musik mit smarten Assistent*innen interagieren kann, um die Ängste und das Unbehagen der Menschen, die durch solche smarten Assistent*innen verursacht werden, mittels Klang einzufangen.

Anders als der endliche Raum, den !Mediengruppe Bitnik mit Sound erzeugt, schafft aaajiao in der Welt der Spiele einen grenzenlosen höhlenartigen Raum. Die Arbeit löst sich von der hergebrachten Denkweise, dass Spiele nur auf die Spieler fokussieren, und bezieht natürliche Menschen, Ausstellungsbesucher*innen und Internet-Flanierer*innen in die Arbeit ein. Sie fordert die Betrachter*innen auf, ihr „anderes“ Selbst an der Grenze zwischen Endlichem und Unendlichem zu beobachten, und regt zum Nachdenken über Sehen und Gesehenwerden an.

Die Insassen von Benthams Panoptikum können die Anwesenheit ihrer Beobachter*innen spüren, während die Bewohner*innen der digitalen Gefängnisse in einer ständigen Illusion von Freiheit leben. Die Ausstellung zwingt den/die Betrachter/in in einen Raum voller Überwachung, um ihn zum Nachdenken über das Leben in einer transparenten Gesellschaft anzuregen.

DIE KÜNSTLER*INNEN

Timothy C. May

Tim May war leitender Wissenschaftler und Elektronikingenieur bei Intel, Mitbegründer der Cypherpunks und einflussreicher Kryptoanarchist, dessen Schriften die Vision der „Freiheit im Cyberspace“ mitprägten.

Liu Jiaying

Lu Jiaying arbeitete in der Tencent-Zentrale als leitende Produktdesignerin von Global SNS, Abteilung International Business. Master-Abschluss an der Central Academy of Fine Arts. Während ihres Masterstudiums konzentrierte sie sich auf die Nutzung der der Blockchain zugrunde liegenden Technologie für künstlerische Anwendungen und beschäftigte sich mit speziellen künstlerischen Sprachen. 2017 gründete Liu ein Blockchain-Unternehmen und die in Singapur angesiedelte Stiftung ProChain. Zu deren Produkte zählen Prabox (Nr. 1 im EOS-Ökosystem), TopBidder (Top 10 im EOS-Ökosystem) und das Finanzprodukt YFII (Defi-Klasse). Derzeit ist YFII auf Platz 68 in der globalen Marktkapitalisierung und wird seit 2020 auf drei großen Börsen – OKEX, Firecoin und Binance – gehandelt.

Larva Labs

Larva Labs sind Matt und John, zwei Ingenieure, die Produkte für Android, iPhone und das Web entwickeln. Sie arbeiten auch mit dem MIT Media Lab, der Harvard Business School, der Stanford Law School, dem Kunstinstitut der Art Basel Miami, dem Berkman Center for Internet and Society an der Harvard University und Christie's in London an der Schaffung von Kryptokunst.

Pixls

Sammler von NFT-Werken, Forscher.

Zhou Peng’an

Zhou Peng‘an ist Software-Ingenieur, Forscher und Multiplikator des Retrocomputing und verwandter kultureller Phänomene. Als Student war er in der chinesischsprachigen PDA-Szene aktiv. Im Jahr 2009 zog er nach Kanada, wo er an mehreren lokalen Startup-Projekten teilnahm und mit Retrocomputing, Demoszene, Chiptune und anderen Communities aus Wissenschaft und Technologie in Berührung kam. Im Jahr 2016 etablierte er auf zhihu.com seine Kolumne „Antique Computer Room“, in der er als erster einschlägige Inhalte veröffentlichte. Als Autor, Übersetzer und Online-Publisher fördert er die Verbindung zwischen der chinesischen Sci-Tech-Community und der Welt. 2018 startete er „Computer Museum in the Web“, das erste interaktive Online-Computermuseum in der chinesischen Welt.

Song Ting

Song Ting ist KI- und Blockchain-Künstlerin sowie Science-Fiction-Autorin und beschäftigt sich mit Themen wie Blockchain-KI, Brain-like Computing, Multi-Party Privacy Secure Computing usw. 2020 war sie Rekordhalterin bei NFT-Krypto-Kunstauktionen in China. Sie ist Tech-Art-Beraterin von OPPO Campus und Sina Weibo. Ihre Einzelausstellung „Inverse Cyber Church and Bazaar“ ist die erste Blockchain-basierte Ausstellung von Kunstwerken in China, die in Zusammenarbeit von Mensch und KI in China entstanden.

aaajiao

aaajiao ist das Pseudonym des jungen Künstlers Xu Wenkai und sein fiktives Online-Alter-Ego. Er wurde 1984 in Xi’an, einer der ältesten Städte Chinas, geboren (sein Geburtsjahr ist zufällig der Name von George Orwells klassischem prophetischem Roman) und lebt und arbeitet heute in Shanghai und Berlin. aaajiaos Arbeit verbindet ein starkes dystopisches Bewusstsein, mit einer Reflexion über den Literati-Geist. Ein Großteil seiner Arbeit widmet sich der Erforschung kultureller Phänomene und politischer Strategien unter dem Einfluss neuer Technologien und Medien, von Social Media Writing und Datenverarbeitung bis hin zu neuen ästhetischen Landschaften im Web und in mobilen Medien. Als Repräsentant der neuen Generation globaler Medienkunst bringt aaajiao die besondere Social-Media-Kultur und den Einsatz von Technologie, wie sie in China stattfinden, in den internationalen Kunstdiskurs ein. Seine Arbeiten werden häufig in Kunstmuseen und Institutionen weltweit ausgestellt, darunter im UCCA Ullens Center for Contemporary Art, Beijing; im Shanghai Hao Art Museum; im Institute of Contemporary Art Boston; im Haus der Elektronischen Künste (HeK), Basel; im Shanghai Museum of Contemporary Art, im Jewish Art Museum, New York; im Spencer Museum of Art, Kansas, USA; Yu Deyao Art Museum, Shanghai; ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe; im National Art Museum of China, Beijing, etc.

!Mediengruppe Bitnik

Das in Zürich und London lebende und arbeitende Künstlerduo Carmen Weisskopf und Domagoj Smoljo dehnt seine Praxis vom digitalen auf den physischen Raum aus, wobei sie oft bewusst Kontrollverlust praktizieren, um etablierte Ordnungen und Mechanismen in Frage zu stellen. Ihre Arbeiten wurden in Galerien und Kunstinstitutionen weltweit ausgestellt, darunter in der Annka Kultys Gallery; im Haus der elektronischen Künste Basel; Eigen + Art Lab Berlin; Super Dakota Brussels; im Centre Culturel Suisse; Aksioma Institute for Contemporary Art Ljubljana; Kunsthaus Zürich; FACT Liverpool; Onassis Cultural Center Athens; Public Access Gallery Chicago; Kunstverein Hannover; Nam June Paik Art Center, South Corea; Fondazione Prada Milano; Shanghai 21st Century Minsheng Art Museum; The Pushkin Museum of Fine Arts, Moskau; Cabaret Voltaire Zürich; Beijing Contemporary Art Biennial; Tehran Roaming Biennial, etc.

DIE KURATORIN

Ruan Kun

Ruan Kun ist Kuratorin und Autorin und hat einen MA der City University of Hong Kong. Sie beschäftigt sich seit langem mit der Interpretation traditioneller Literatur durch zeitgenössische Ideen und nutzt verschiedene Formen der Praxis wie Ausstellung, Schreiben und Performance, um eine Transformation und Integration von Tradition und Gegenwart zu konstruieren.

Besonderer Dank gilt Ma Nan, Direktorin der Abteilung für Forschungsplanung und internationalen Austausch des Kunstmuseums an der China Academy of Art, für die Bereitstellung der chinesischen Übersetzung von „The Crypto Anarchist Manifesto“.